Eine ganzheitliche Betrachtung des speziellen Themas Frauengesundheit kennzeichnet ein modernes Pilates-Konzept. Einklang von Körper und Seele, Belastung und Belastbarkeit auf allen Ebenen sollten das Trainingsziel sein.
Spezifische gesundheitliche Probleme von Frauen, die Pilates Training ausüben, insbesondere Themen wie Inkontinenz, sind leider noch immer Tabuthemen. Dabei kann Pilates Training mit dabei helfen, Ursachen für Störungen im Bereich des Beckenbodens zu identifizieren und durch gezieltes Training dabei mitzuwirken, die Störungen zu beheben.
Besonders während der Schwangerschaft und nach Geburten muss der weibliche Beckenboden Höchstleistungen vollbringen. Die starken körperlichen Veränderungen, Hormonschwankungen und auch die Anforderungen neuer Lebensabschnitte wie der Menopause wirken sich auf vielen Ebenen auf den Körper und die Psyche von Frauen aus.
Bei Problemen mit dem Becken, der Lendenwirbelsäule und der Becken-bodenmuskulatur können Pilates Trainer die Entwicklung eines neuen Körpergefühls unterstützen, die Wahrnehmung für den Beckenboden fördern und diesen gezielt aktivieren.
Viele Übungen des Pilatestraining bieten ein tiefes stabilisierendes Training für Strukturen, die mit dem Beckenboden synergistisch verbunden sind.
So ist ein bewegliches und freies Zwerchfell wichtig, um den Beckenboden in Resonanz zu aktivieren. Resonanz bedeutet, dass einer Bewegung, bzw. Anspannung des Zwerchfells eine dieser Anspannung entsprechende exzentrische oder konzentrische aktive Reaktion der Muskeln des Beckenbodens hervorruft. Eine gut ausgerichtete Beinachse (Alignment) ermöglicht einem wichtigen Hüftrotator ( M. Obtuatorius internus) den Beckenboden günstig „aufzuhängen“ und dadurch synergistisch zu stabilisieren.
Ein kräftiger und gut organisierter Schultergürtel unterstützt die aufrechte Haltung und reguliert so die inneren Druckverhältnisse, die auf den Beckenboden einwirken.
Schwangerschaft: In dieser Phase ist es von großer Bedeutung, den Strukturen im Körper zu erlauben, weit und „offen“ zu werden. Das „Powerhouse“ ist jetzt bewohnt und der Neuankömmling benötigt Raum.
Pilates in dieser Phase des Lebens ist nur sehr modifiziert möglich.
Das Zwerchfell muss in einen physiologischen Hochstand kommen, sowohl der M.Transversus und der M.Rectus abdominis müssen einem wachsendem Uterus nachgeben und der Beckenboden an Tonus verlieren. Gerade in diesen Monaten kann nur sehr reduziertes und speziell auf diesen Lebensabschnitt ausgerichtetes Pilates Training empfohlen werden.
Rückbildung: In der Rückbildung hingegen ist Pilatestraining den sich rückbildenden Strukturen sehr dienlich. Durch die Aktivierung des tiefen M.Transversus abdominis wird Raum geschaffen für ein Schließen der faszialen Verbindung der beiden Anteile des Muskels und der verbundenen Strukturen (Rectuscheide).
Der Beckenboden wird in das körperliche System wieder funktionell aufgenommen und das Zwerchfell kann wieder mit ihm in Resonanz kommunizieren (Kraftzylinder).
Wichtig ist jedoch hier die richtige Auswahl der Übungen! Möglichst wenige Übungen sollten aus der Rückenlage ausgeführt werden, da sie in dieser Phase unfunktionell sind.
Kontraindiziert sind zumindest zu Beginn:
- alle Übungen, in denen der Kopf aus der Rückenlage angehoben wird
- Übungen mit langen Hebeln, die Schwerkräfte verursachen können
- Übungen, bei denen ein zu hoher abdominaler Druck aufgebaut wird (Bsp. Hundreds, Criss Cross…).
Die Übungen in Bauchlage sollten in der Regel unterlagert werden.
Übungsvorschläge:
- Femur Arcs
- Sidelying (ohne Extension)
- Bridging
- Vierfüßlerstand
- Mermaid
- Spine Stretch ( gerade nach einer spinalen Anästehesie (PDA) unter der Geburt oder Kaiserschnitt –auch mit Kleingeräten im Sinne einer Regression).
Wechseljahre: In diese Phase des Lebens spielt Bewegung eine größere Rolle als früher angenommen. Es gibt zahlreiche Studien die anschaulich beweisen, dass Bewegung Wechseljahrsbeschwerden reduzieren oder sie sogar auf ein Minimum schrumpfen lassen kann.
Auch hier ist es wichtig, sich die physiologische Veränderungen bewusst vor Auge zu führen:
- Hormonproduktionsrückgang
- Abnahme der Anzahl von Muskelfasern (neben vermehrter Obstipation häufigste Ursache für beginnende Inkontinenz)
- Veränderung der Viskosität aller Flüssigkeiten im Körper.
Der Schwerpunkt hier liegt neben der richtigen Übungsauswahl in der Anwendung der Wiederholungszahl der Übungen. In dieser Phase sollten Übungen mit größerer Wiederholungszahl und kleineren Hebel ausgeführt werden.
Auch die Atmung ist hier von entscheidender Bedeutung:
Im Gegensatz zu der Rückbildung sind hier die „Hundreds“ eine wunderbare Übung, um die Funktion und Stabilität des kleinen Beckens zu stimulieren.
Mögliche Übungsauswahl:
- Hundreds mit kurzem Hebel bzw. Unterstützung der Beine
- Side Kick Series unter anderem zur Stimulation und zum Erhalt der Hüftstreckung
- Scare Scrow um die Beweglichkeit und Stabilität der Brustwirbelsäule in Extension zu fördern.
Autoren: Alexander Bohlander, Nina Metternich Osteopathen, Polestar Pilates Ausbilder- Autoren „Das Pilates Lehrbuch“
Autor

Alexander Bohlander
Alexander Bohlander hat SPRINGS Köln gegründet, ist Leiter von Polestar-Pilates Europe, leitet die Praxis Bohlander in Dormagen und Erftstadt, und ist dazu noch bekannt als einer der Buchautoren von ‚Das Pilates Lehrbuch’.
Dörte Fehling
Okt 30, 2018 at 23:25
Sehr schöner Artikel 👍
Mia
Jan 25, 2019 at 12:48
Als eine Bekannte beim Frauenarzt war, bekam sie auch den Tipp zu Pilates. Vielleicht versuche ich es auch einmal. Zu zweit macht es sicher mehr Spaß.