Jeder, der schon mal kurz- oder längerfristig Rückenschmerzen hatte wird bestätigen, dass es sich um ein entbehrliches Übel handelt, also ein absolutes NoGo. Aber was können wir tun, wenn wir betroffen sind? Wer kann Abhilfe schaffen?
Fakten
Im europäischen Vergleich liegen wir in Deutschland eher im unteren Drittel was die Häufigkeit von erwerbsbedingten Schulter- und Rückenschmerzen angeht. Griechenland führt diese Rangliste an und weniger als wir haben Irland, Niederlande und Großbritannien. In Deutschland hat etwa jeder dritte Erwachsene öfter oder ständig Rückenschmerzen, so dass diese zu Arbeitsausfällen führen. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen, aber auch Kinder tauchen inzwischen immer mehr in den Statistiken auf. https://de.statista.com/themen/1364/rueckenschmerzen/
Das Thema Rückenschmerz als „Volkskrankheit“ oder „ungelöstes Problem“ ist nicht nur individuell ein unangenehmes körperliches Empfinden, sondern hat darüber hinaus auch eine in zahlreichen Statistiken dokumentierte gesundheitsökonomische Bedeutung.
Schmerzempfinden ist so individuell wie wir Menschen, daher lassen sich die verschiedenen Erscheinungsformen nicht immer eindeutig definieren. In der modernen Medizinforschung spricht man von spezifischen und nicht-spezifischen Leiden. Nicht jede Erscheinungsform wird als Krankheit eingestuft. Dauer und Ursachen sind verschieden und werden oft zu schnell symptomorientiert behandelt.
Am Anfang einer gezielten Behandlung sollte daher immer eine ausführliche Diagnostik stehen. Eine Anamnese beinhaltet: genaue Lokalisation, Ausstrahlungssymptom, Auslöser, Schmerzdauer, Vorerfahrung mit Schmerzen, erleichternde bzw. verschlimmernde Faktoren, psychosoziale Faktoren, Stärke der Schmerzen, Einstellung zum Schmerzempfinden und Begleitbeschwerden.
Eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale dabei ist, das spezifische Schmerzen ausdrücklich auf konkrete Ursachen zurück geführt werden wie beispielsweise genetisch Risikofaktoren (Morbus Bechterew etc.), Tumorerkrankungen, Infektionen, Traumata und Neuropathien.
Bei den unspezifischen Beschwerden verdichten sich in den letzten Jahren immer mehr Hinweise auf psychosoziale Faktoren als Auslöser wie berufsbezogenes oder privates Stress-Empfinden, passives Schmerzverhalten, Somatisierungstendenzen, mangelnde Salutogenese. Alle Faktoren können akute Beschwerden hervorrufen oder sogar zu chronischen Krankheitsverläufen beitragen.
In Fachkreisen ist derzeit jedoch ausreichend wissenschaftlich belegt, dass bei unspezifischen Rückenschmerzen keine Ruhigstellung, sondern gezielte Bewegungsmaßnahmen angezeigt sind. (GB des Bundes H53, S. 11) Ein Umdenken für erfolgreiche Behandlungsmaßnahmen hat stattgefunden. Der Erfolg von Behandlungsplänen hängt dabei wesentlich von der aktiven Mitwirkung der Patienten bei der Entscheidung für geeignete Therapieverfahren und deren Umsetzung ab. Ein Behandlungserfolg stellt sich heutzutage eben nicht mehr durch die Gabe von Schmerzmitteln und Einhaltung von Bettruhe ein. Eigenverantwortung der Patienten ist ein wesentlicher Faktor für einen positiven Genesungsverlauf. Dazu müssen Patienten sich heutzutage immer mehr selbst informieren. Darüber hinaus sind fachkundige Beratungsgespräche mit Ärzten, Heilpraktikern und Therapeuten von großer Bedeutung.
Zu eigenverantwortlichen Beträgen der Patienten gehören also Maßnahmen wie Bewegungs- und Sporttherapie sowie Entspannungsverfahren oder auch kognitive Schmerztherapien. Diese können vor allem bei unspezifischen Beschwerden durch Manuelle Therapie, Wärmebehandlungen, Massagen etc. unterstützt werden. Eine medikamentöse Therapie bei nicht-spezifischen Beschwerden kann rein symptomatisch zur Unterstützung hilfreich sein. Mit eigenverantwortlicher Therapie rückt heute immer deutlicher die Prävention in den Blickpunkt. (GB des Bundes H53, S. 22f)
Forschungserkenntnisse und ökonomische Auswirkungen haben in Deutschland dazu geführt, dass es seit dem 25.7.2015 „Das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention“ gibt. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/praeventionsgesetz.html
Ziel dieses Gesetzes ist es im Vorfeld schon Gesundheitsförderung zu betreiben und nicht erst dann aktiv zu werden wenn schon durch Überlastung etc. Krankheitsbilder entstanden sind.
Was können Patienten mit nicht-spezifischen Rückenschmerzen also tun?
In Mein Pilates-Studio kommen neben den bewegungsfreudigen Teilnehmer/innen auch immer wieder Menschen, die lange nichts für ihren „Bewegungskörper“ getan haben oder behaupten „vor lauter Arbeit“ keine Zeit für sportliche Aktivitäten zu haben. Nun sind sie an einem Punkt angelangt, da ihr Körper deutlich signalisiert so geht’s nicht weiter! Einige Patienten kommen durch gezielte Hinweise ihrer Ärzte oder Physiotherapeuten, andere haben von Freunden gehört, wie positiv sich das Pilates Training auf ihr gesamtes Wohlbefinden ausgewirkt hat.
Mit dem Schritt zum Trainingsstart ist schon mal die erste Hürde genommen. Beim ersten Treffen nehme ich mir Zeit ein Gesamtbild des Klienten durch Hintergrundinformationen zu bekommen: welche Beschwerden liegen vor und wodurch ausgelöst, welchen sportlichen Aktivitäten wird oder wurde nachgegangen, wie ist der berufliche Hintergrund und auf welche positiven Bewegungserfahrungen kann jemand zurückgreifen und natürlich was versprechen sie sich vom Neustart mit Pilates.
Damit habe ich schon mal einige Hinweise, woran ich gegebenenfalls anknüpfen kann. In der ersten Bewegungsanalyse vervollständigt sich mehr und mehr das Bild der offensichtlichen Problembereiche.
Wichtig ist mir schon zu Beginn zu vermitteln, dass Bewegung Spaß machen soll. Im Pilates geht es beispielsweise bei Rückenproblematik nicht um ein Training des Höher-Schneller-Weiter, sondern den individuellen Haltungsmängeln, Verspannungen, Verkürzungen oder sonstigen Defiziten auf die Spur zu kommen und diese mit Pilates als Ganzkörpertraining umzubauen. Versteht man die eigenen Bewegungsgewohnheiten als lange eingeübt Habits oder aufgrund von z.B. äußeren Einwirkungen entstandene Kompensation und damit einhergehende Dysbalancen, so ist meine Erfahrung, dass in den meisten Fällen diese durch ein gezieltes Training wieder in eine gesunde Richtung umprogrammiert werden kann.
Ich erkläre meinen Klienten oftmals auch warum sie bestimmte Übungen machen sollen. Das Wissen darüber und gleichzeitig die körperliche Erfahrung das etwas gut tut, erleichtert viele Menschen schon mal um eventuelle Zweifel oder jahrelange missglückte Erfahrungen mit symptomorientierten Maßnahmen. Eine der grundsätzlichsten ersten positiven Erfahrung steht im Zusammenhang mit der bewusst eingesetzten Atmung als Bewegungsbestandteil. Schon nach der ersten Stunde berichten die meisten Teilnehmer/innen, dass sie sich aufgerichteter, entspannter und leichter fühlen, obwohl wir nur minimal fordernde Übungen gemacht haben.
Der Zugang zu meinen Teilnehmenden ist sehr individuell. Auch im langjährigen Gruppentraining sehe ich immer noch interessante Fortschritte. Wir nutzen auf der Matte im Gruppentraining z.B. Kleingeräte wie Bälle, Circle, Rollen, Gewichte oder verschiedene Bänder, um damit gezielt Nacken-, Schulter- oder LWS-Beschwerden in Angriff zu nehmen oder diesen vorzubeugen. Besonders offensichtlich sind auch Erfolge im Einzeltraining an den Pilates Geräten wie Reformer, Trapeztable, Chair und Barrel. Die Geräte sind so vielseitig, dass individuelle Schwächen sehr gezielt angegangen werden können. Haben Rückenschmerzen z.B. mit schlechter Haltung durch vernachlässigte Bauchmuskulatur zu tun, können diese sehr umfangreich trainiert werden. Dabei bleibt es aber nicht, denn das gesamte System hat sich ja in der „alten“ Haltung eingerichtet. Daher erweitern wir im Pilates die Trainingsmöglichkeiten dann zunehmend um das riesige Spektrum an Bewegung weiter auszuschöpfen. Eine langjährige Teilnehmerin, die unter anderem wegen Rückenschmerzen zu mir kam, gibt mir immer sehr direkte Rückmeldung über ihre Erfahrungen und fasst diese so zusammen: „Durch Pilates habe ich meinen Körper völlig neu kennengelernt und bin richtig in Kontakt zu mir selbst gekommen.“ (Ulrike P.) Weiterhin berichten auch andere Teilnehmer über besseren Schlaf, eine ausgeglichenere Gesamtkonstitution und ein positives Lebensgefühl. Die geniale Verbindung von Atmung und Bewegung beeinflusst also auch langfristig unser vegetatives System. Hocherfreut bin auch manchmal wenn sich Beschwerden wie Rückenschmerzen im Laufe einer regelmäßigen Trainingsteilnahme scheinbar einfach so weg schleichen, dann äußern sich Teilnehmer auch mal ganz beiläufig: „Ach übrigens, meine Rückenschmerzen sind auch ganz weg.“ (Holger S.)
Auf den Punkt gebracht
Ich bin von der Pilates Methode als großartige Trainingsmethode sehr überzeugt. Eigene Erfahrungen im Laufe meiner Aus- und Fortbildungen sowie die sichtbaren Erfolge meiner Teilnehmenden bestätigen mir immer wieder aufs Neue wie genial vielseitig diese Methode ist. Prinzipiell eignet sich die Methode für jeden, der offen für Wahrnehmungsschulung und den uns innewohnenden Reichtum an Bewegungsmöglichkeiten ist.
Um den Rückenschmerzen aktiv entgegen zu treten braucht es recht wenig also to-go bequeme Trainingskleidung und dann einen gut ausgebildeten Pilates Trainer https://pilates-verband.org/trainersuche/ und schon kann es los gehen: Go Pilates!
Viel Spaß!
Autor

Isabel Wenzler-Stöckel
Trainerin
Ich bin zweite Vorsitzende des Deutschen Pilates Verbands e.V. und leite mein Studio "Pilatesprojekt" in der Nähe von Hamburg.
Pilates Check
Mrz 31, 2018 at 15:24
Sehr guter Blog-Beitrag, vor allem im Kontext zu unserer „Volkskrankheit“.
Die Lösung hierbei; das Powerhouse stabilisieren. Klingt simpel, ist es auch, aber zu wenige machen sich auch mal die Mühe Kurse zu besuchen und mit dem Training anzufangen. Echt schade!
LG